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Ergotherapie im Einzel- oder Kleingruppensetting

„Die Förderung einer Reaktion, die eine reifere und integriertere Handlung darstellt als eine frühere Leistung, erfordert ein besonderes Verständnis und besondere Fähigkeiten des Therapeuten. Solch eine Kompetenz spiegelt mehr als nur technisches Können wider; es kommt schon einer Kunst gleich.“ - Jean Ayres: Lernstörungen, S. 194 (deutsche Übersetzung)

Wenn man dieses Zitat liest, könnte man meinen, dass wir in der Ergotherapie zaubern können. Das können wir natürlich nicht - und einer meiner Lieblingssätze in Elterngesprächen drückt dies auch klar aus: wir machen innerhalb der Ergotherapie nichts anderes als das, was im Alltag auch geschehen könnte! Ok, zugegeben: vielleicht schaffen wir es eleganter das Niveau zu treffen, wo die Motivation Eures Kindes anspringt und es bereit ist sich anzustrengen, um etwas Neues zu lernen. Schliesslich müssen ErgotherapeutInnen in einer Ausbildung in Sensorischer Integration (SI) viel über normale Entwicklung lernen. Aber der eigentliche Grund, warum wir es vielleicht eher schaffen als Ihr Eltern, ist ganz einfach: wir sind eben nicht die Eltern! Elternliebe ist bedingungslose Liebe - Euer Kind hat ein Anrecht darauf, von Euch so geliebt zu werden, wie es ist! Jede andere Bezugsperson darf Zuwendung, volle Aufmerksamkeit und  "Liebe" mit anderen Regeln verknüpfen - etwa nur dann, wenn es sich bemüht hat, etwas zu tun, was anstrengend ist. Das ist der Schmäh, warum Kindergarten oder Schule funktionieren - und auch Therapie manchmal die bessere Option ist.

Der Grund, warum Jean Ayres immer wieder in ihren Behandlungskapiteln von einer Kunst der Therapie gesprochen hat, meint eher dies: sie verlangte von ihren TherapeutInnen, dass sie innerhalb der Behandlung zuerst etwas für das Arousal des Kindes tun müssen, bevor sie es mit einer neuen  Herausforderung konfrontieren. Für Arousal gibt es keine gute Deutsche Übersetzung. Gemeint ist je nach Wahrnehmungs-tendenz Wachheit, Erregungsniveau, Interesse - aber auch keine Angst zu haben, sich auf dieses Thema einzulassen. Sie verlangte von ihren TherapeutInnen, dass die Augen des Kindes leuchten, bevor es etwas Neues lernen soll! Nur so wird es bereit sein diese Aktivität auch in dem Ausmass im Alltag zu suchen und zu wiederholen, wie es sein Nervensystem benötigt, um diese effektiv abzuspeichern und zu automatisieren (wir sprechen dann von Körper- oder Handlungsschematas). SI-Kinder benötigen im Alltag viel regelmäßiger sensorische Erfahrungen, um dieses optimale Arousal zu entdecken und zu suchen - wir bezeichnen diesen ersten Teil im Behandlungsprozess als Sensorische Diät. Und Sensorische Diät ist der Job von Euch Eltern, weil alle in der Familie davon profitieren: Eurer Kind erlebt sich leistungsbereiter - und Ihr müsst nicht mehr so viel "schnorren". Es geht um Alltagsgestaltung und Hobbyfindung, in der Regel um Sport und Freizetaktivitäten, die Ihr organisieren müsst. Wir helfen Euch nur dabei!

Wenn die Augen Eures Kindes leuchten und es bereit ist sich anzustrengen, geht ein/e in Sensorischer Integration ausgebildete/r ErgotherapeutIn zu den Themen über, die sich beim Kind ändern sollen. Diese sind im optimalen Fall mit Euch Eltern als klare Ziele abgesprochen - denn Ihr habt ja Gründe, warum Euer Kind in die Ergotherapie kommt und wisst, was sich verändern soll.  Aber auch in diesem Moment üben wir nicht einfach irgendwelche Funktionen oder Betätigungen! Ein/e SI-TherapeutIn macht Eurem Kind Angebote, wie es sich selbst solche Themen erarbeitet. Dies geschieht optimalerweise im Spiel, bei dem es sich einbringen und mitbestimmen kann. Jean Ayres hatte einen enormen Respekt vor diesem Drang des Kindes sich selbst zu entwickeln. Von dem her ist eine SI-Therapie eher das Gegenteil von einer Verhaltenstherapie, in der ein Erwachsener dem Kind vorgibt, was es zu lernen hat.

Der zweite Grund, der für den Beginn einer Ergotherapie spricht, ist auch ganz einfach: wir befreien Euer Kind zu Beginn des Therapieprozesses von dem sozialen Druck, der in jeder Schulklasse oder Kindergartengruppe existiert. Es darf neue Erfahrungen machen ohne sich gleich messen oder konkurrieren zu müssen. Aber natürlich sollte es ja in den sozialen Gefügen funktionieren, in denen Eurer Kind seinen Job machen sollte - deshalb werden wir so rasch wie möglich eine Kleingruppensituation als Setting wählen. Wenn diese Konstellation gut gewählt ist (sprich die Kinder vom Können und der Persönlichkeit her gut zueinander passen), bedeutet dies ein wenig sozialen Stress, mit dem es lernen kann diesselben Herausforderungen zu meistern. Gewonnen haben wir, wenn es sich dies auch in seiner Kindergartengruppe, seiner Klasse und seinem Sportverein zutraut!

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